Turngemeinde Neureut

Turngemeinde Neureut

Neubau Sport- und Vereinsgebäude TG Neureut

Das neue Sport- und Vereinshaus der TG Neureut ist präzise auf den Ort und die Anforderungen hin geplant. Die verschiedenen Bezüge aus Städtebau, der umgebenden Bebauung und der raumeffizienten Grundstruktur führen zu einem komplexen System unterschiedlicher Raumbezüge, die auf engstem Raum umgesetzt werden. Das Gebäude zeigt sich klar und streng organisiert, steht selbstbewusst mit zurückhaltender Markanz im Stadtraum und vermeidet doch jeden autoritären Eindruck. Es versteht sich als Teil der `Stadtmitte` Neureuts und repräsentiert in Größe und Lage auch die Bedeutung und das Selbstbewußtsein der TG Neureut. Es ist ein Gebäude für die Mitte Neureuts, das die vielfältigen städtebaulichen und räumlichen Beziehungen aufnimmt, diese ausfüllt und sie ablesbar macht.

Lageplan TG Neureut

Platzierung: 1. Platz
Leistungszeitraum: 2016 – 2019
Leistungsphasen: Lph 1 – 8 entsprechend §34 HOAI
Typologie: Neubau Sport- und Vereinsgebäude
Bauherr: Turngemeinde Neureut
Brutto-Gesamtfläche: 1.570 m2
Brutto-Rauminhalt: 6.190 m3

Städtebau + Raumbezüge

Die Friedhofsstraße ist die historisch gewachsene Querspange zur alten Dorfstraße, die die Kirche / Ortsmitte mit dem alten Friedhof verbindet. Dieser Bedeutung entsprechend sind hier mit der Kirche und der Schule die größten Bauvolumina angesiedelt. Der Straßenraum ist auffallend breit. Straßenraum und Bebauung reduzieren sich dann ab der Kirchhofstraße auf den in Neureut üblichen Maßstab. Das neue Sport- und Vereinshaus mit seiner Lage unmittelbar an der Kreuzung zur Kirchhofstraße und dem rückspringenden Baukörper fasst den weiten Straßenraum der oberen Friedhofstraße und bildet mit seiner Stellung gegenüber dem alten Schulgebäude eine Portalsituation. Die Veränderung des Straßenraumes wird dadurch betont und die Raumbezüge geklärt.

Grundlegend ist auch die Orientierung am Typus des giebelständigen Hauses mit schmaler Giebelfläche und großer Grundstückstiefe, die das Neureuter Ortsbild wesentlich prägen. Der Baukörper selber wird zudem stark durch die räumlichen Bezügen des direkten Umfeldes geformt. Die Portalsituation zum alten Schulhaus und die Straßenflucht der oberen Friedhofstraße führen zu einer Abwinkelung des Baukörpers entlang der Kirchhofstraße, die sich auch im Grundriss, sowie in der Ausbildung eines gewinkelten Walmdaches wiederspiegelt. Dabei korrespondiert die Länge des rückspringenden Baukörpers mit der Breite des Schulhofes und stellt somit einen räumlichen Bezug zur Schule her, der auch inhaltlich durch die Nutzung für den Schulsport gegeben ist.

Innere Struktur

Die drei Bereiche Turnhalle, Gesundheitssport und allgem. Bereich bilden sich im Baukörper ab. Turnhalle und allgem. Bereich erstrecken sich über zwei Vollgeschosse, wobei die Turnhalle längs der Friedhofstraße orientiert ist, während die allgem. Bereiche längs der Kirchhofstraße angelegt sind. Die Geschosshöhe resultiert aus der geforderten Höhe der Turnhalle. Der Gesundheitssport mit seinen zwei großflächigen Raumeinheiten ist im Dachgeschoß angeordnet wodurch die Dachgeometrie auch von innen erlebbar wird. Zusätzlich wird das Erlebnis des Dachraumes durch die Belichtung vorrangig über Fensterbänder in der Dachfläche betont.

Die Erschließung erfolgt über das Haupttreppenhaus, von dem aus alle drei Bereiche separat erreicht werden können. Ein zweites Treppenhaus dient als Fluchtweg, sowie als Verbindung zwischen den Umkleiden und der Turnhalle. Auf einen Keller wird im Sinne der Kompaktheit und Kostenoptimierung vollständig verzichtet. In Folge befinden sich die Technikräume im Dach, was insbesondere für die Lüftung der großen Raumvolumen eine optimale Platzierung im Gebäude und Ausnutzung der Raumpotentiale bei Schrägdächern bedeutet.

Ein langgestrecktes Foyer führt ebenerdig den Straßenraum und Schulhof in das Gebäude. Es dient als Aufenthaltsbereich für Feste und bei Schlechtwetter, sowie als Ausgleichsfläche um ankommenden und abgehenden Schülergruppen ausreichend Platz zu bieten. Die Anordnung der Verglasungen und Wandflächen ist im zweigeschossigen Foyer so gewählt, daß sich zwei unterschiedliche Orientierungen ergeben: Richtung Straßenraum und Schule im EG und Richtung Turnhalle auf der Galerie.

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Konstruktion + Innenraum

Die Grundkonstruktion des Gebäudes erfolgt in Holzbauweise. Die Verwendung von Dickholzelementen (mehrlagig verleimte Brettschichtkonstruktionen) erlaubt weit spannende, materialeffiziente Wandkonstruktionen mit Scheibentragwirkung. Somit können z.B. die Wände der Umkleiden im DG gleichzeitig auch als tragende Achsen für die darunter befindliche Decke der Turnhalle genutzt werden. Brettstapelverbunddecken in Verbundbauweise gewährleisten die erforderliche Steifigkeit in der Fläche und weisen die für Decken erforderliche Masse auf. Stahlbetonkonstruktionen werden nur an statisch hoch belasteten Bauteilen wie dem Haupttreppenhaus und zur Gründung verwendet, sowie als Wandscheiben zur Aussteifung und zum gezielten Einsatz von Speichermasse, z.B. als Grundlage für eine Bauteilaktivierung

Die Konstruktion ist gestaltprägend für den Innenraum, da die hölzernen Elemente mit lasierten Fertigoberflächen in Sichtqualität geliefert und eingebaut werden. Beton wird als Sichtbeton ausgeführt. Zusätzliche Verschalungen oder Trockenbau sind nur noch für Sonderbereiche wie Küchen und Sanitärräume, sowie als Prallwände, Akustikdecken und zur gestalterischen Akzentuierung erforderlich. Farbakzente werden mit farbigen Bodenbelägen aus Linoleum und Kautschuk gesetzt.

Energie + Nachhaltigkeit

Die hohe Kompaktheit des Gebäudes, die hohe Raumausnutzung und der Verzicht auf einen Keller führen zu einem Gebäude mit geringer Außenfläche und somit zu reduzierten Investitionskosten und Wärmeverlusten. Die auf die Holzwände aufgebrachte Dämmung bildet in Verbund mit einer Dampfsperre eine durchgängig nahezu homogene dampfdichte, thermische Hülle, die als dampfdiffusionsgeschlossener Wandaufbau mit Dichtungsbahnen ohne Hinterlüftung geschützt und somit ebenfalls kosteneffizient und materialoptimiert ausgeführt werden kann. Zusätzlich bewirken die vorgesetzten Holzlamellen eine reduzierte Luftbewegung an der Gebäudeoberfläche und somit eine reduzierte Auskühlung. Zudem reduzieren sie die direkte Sonneneinstrahlung, insbesondere an der großflächigen Verglasung der Turnhalle. Alle nicht von Lamellen verschatteten Glasflächen sind mit Sonnenschutzverglasungen ausgeführt, um die sommerliche Überhitzung zu vermeiden. Der für Büro- und Seminarräume erforderliche Blend- und Sichtschutz wird mittels innenliegender Flächenvorhänge gewährleistet, die zusammen mit für Menschen nahezu unsichtbaren Hologrammdrucken einen wirksamen Schutz vor Vogelschlag bewirken.

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Eine zentral im Dachraum gelegene Lüftung gewährleistet die erforderliche hygienische Lüftung und die erforderliche Abfuhr von Überschusswärme, insbesondere im Sommer. Eine mit der Lüftung verbundene Wärmerückgewinnung führt die der Abluft entzogene Energie in großvolumige Wärmespeicher, sowie in zwei im Gebäude platzierte Stahlbetonwände und den Fußboden des Dachgeschosses, die über Bauteilaktivierung die Grunderwärmung sichern.

Der Grundenergiebedarf wird über Geothermie gedeckt. Die Geothermie führt ebenfalls Überschussenergie in die Wärmespeicher ab, die ihrerseits zur Abpufferung von Spitzenlasten und zur Warmwassererzeugung genutzt werden. Gleichzeitig kann die Geothermie aber auch über die Bauteilaktivierung zur sommerlichen Kühlung eingesetzt werden. Geothermie in Verbindung mit einer Bauteilaktivierung ist für Sportbauten sehr gut geeignet, da nur eine niedrige Grundtemperierung erforderlich ist, und für Sportler die Strahlungswärme der Bauteilaktivierung in Verbindung mit einer geringeren Lufttemperatur sehr vorteilhaft ist.

Der minimale Eingriff in den Boden, die Verwendung von FSC-Zertifizierten Holzbauteilen und regional produziertem Beton, sowie die Verwendung mineralischer Dämmstoffe und PVC-freier Dichtungs- und Sperrbahnen führen in Verbindung mit dem kompakten Baukörper, dem reduzierten Innenausbau und optimiertem Energiemanagement zu einem verantwortungsvollen und ressourcenschonenden Bauwerk, das auf verschiedene Nachhaltigkeitszertifizierungen (DGNB, Lead, BNB, etc.) ausgerichtet werden kann.